Die Entwicklung des Lehrkörpers im 19. und 20. Jahrhundert: Zahlen, Kontexte, Vergleich

Seit 1818 sind Zahlen zum Lehrkörper greifbar. Die vorliegende Rekonstruktion stellt die numerische Personalentwicklung in ihre politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftsgeschichtlichen Kontexte. Durch den Vergleich mit anderen Universitäten werden die Verhältnisse in Basel in den allgemeinen universitätshistorischen Trend eingerückt.

Das Zahlenbild und der Wandel der Kontexte legen es nahe, die Entwicklung des Lehrkörpers der Universität Basel in drei Phasen zu unterteilen. Für die Zeitspanne zwischen den Universitätsreformen von 1818 und 1866 ist ein Umbau- und ein Ausbauschritt kennzeichnend. Beide standen in der besonderen lokalgeschichtlichen Konstellation Basels: Der politischen Konkurrenz zwischen konservativen und modernisierenden Kräften, die durch die Kantonstrennung 1833 eine neue Dynamik entfaltete und 1851 in der Forderung der freisinnigen Grossräte gipfelte, die Universität als «Standesanstalt» gehöre abgeschafft.

Im Zusammenhang der zweiten Industriellen Revolution setzte um 1870 an vielen europäischen Universitäten ein neues Entwicklungsstadium ein. Bis in die 1960er Jahre hinein erfuhr der Basler Lehrkörper insgesamt einen sehr kontinuierlichen Ausbau. Auf Fakultäts- und Fachebene zeichnen sich allerdings deutliche Phasenverschiebungen ab. Speziell die Medizin erlebte nach der Universitätsreform 1866 einen atemberaubenden Aufstieg. Der Ausbau der planmässigen Lehrstühle in den Geisteswissenschaften erfolgte gegenüber den deutschen Universitäten verzögert.

In den 1960er Jahren schlug das bisherige Verlaufsmuster in ein neues um. Im Zeichen der Hochkonjunktur und der Systemkonkurrenz des Kalten Krieges wurden die westlichen Universitäten von einer beispiellosen Bildungsoffensive erfasst. Die Beschleunigung des Ausbauprozesses war in der Schweiz bescheidener als in den Nachbarstaaten. Zudem lag der Ausbau in Basel bis in die 1980er Jahre hinter den anderen Schweizer Universitäten zurück. Die durchgängig, nicht nur in Stichjahren erhobenen Zahlen zeigen deutlich: Der zunächst parallele Ausbau aller Statusgruppen spaltete sich nach dem konjunkturellen Einbruch 1973 auf. Die Ordinarien stagnierten, die Extraordinarien und der Mittelbau expandierten weiter.

Lineares, exponentielles und hyperbolisches Wachstum
Matthias Kölbel hat das Wachstum der Wissenschaftsressourcen in Deutschland zwischen 1650 und 2000 errechnet. Dies erlaubt eine allgemeine Einordnung der Basler Entwicklung. Kölbel kommt zum Schluss, dass das Wachstum der Wissenschaftsressourcen – Zahl der Hochschulen und der Professoren – annähernd hyperbelförmig verlief: Die Zuwachsrate wurde kontinuierlich grösser, die Verdoppelungszeit kürzer. Möglich war dies, weil die Rahmenbedingungen der Wissenschaft im Zuge der Herausbildung der modernen Wissensgesellschaft laufend verbessert wurden. Die Studie liefert einen minutiös erarbeiteten Rechnungsbeleg für die Globalthese von der Verwissenschaftlichung der Gesellschaft in der Moderne.

Auf lange Sicht ist ein solch stürmisches Wachstum unrealistisch. Nach 1970 geriet die Entwicklung der Wissenschaftsressourcen denn auch in ein Missverhältnis zu den Basisgrössen Bevölkerung und Wirtschaftsleistung, die sich in gemächlicherem Tempo entwickelten. Kölbel sieht hier das strukturell bedingte «Ende des Ressourcenwachstums».

Die Personalentwicklung an der Universität Basel im 19. und 20. Jahrhundert verlief etwas langsamer als der deutsche Gesamttrend. Der Bestand an ordentlichen und ausserordentlichen Professoren wuchs nicht ganz exponentiell, die Zuwachsrate war nicht ganz konstant, die Verdoppelungsfrist verlängerte sich leicht. Zwischen 1840 und 1879 verdoppelte sich der Bestand in 39 Jahren, zwischen 1879 und 1922 in 43 Jahren, bis 1966 in 44 Jahren.

Da die vorliegende Lehrkörperstatistik im Unterschied zu den Berechnungen von Kölbel auch die subprofessoralen Statusgruppen erfasst, kann seine Beurteilung der Zeit nach 1970 präzisiert werden. Unter Einbezug aller Personalkategorien zeichnet sich in diesen Jahren in Basel der Übergang zu einem (steilen) linearen Wachstum ab. Im Blick auf die aufgewendeten finanziellen Ressourcen ist dieser Verlauf zwar weniger aussagekräftig, weil teure und billige Kategorien darin vermischt sind – und von den Bildungspolitikern der 1960er Jahre bewusst vermischt wurden. Die Aussagekraft bezüglich des verfügbaren Lehrvolumens und der Forschungskapazitäten bleibt gleichwohl erhalten.